Garkessel der Evolution
Der tropische Regenwald hat keine Ideale. Er entzieht sich der Wertung von Gut und Böse: Zwischen Bromelien und
Lianen herrschen weder Gerechtigkeit noch friedliche Koexistenz. Vielmehr sind die Vielfalt der Kreaturen, deren
Lebenskraft und Schönheit Resultat eines Jahrmillionen alten Kampfes um Überleben, bei dem wenige Gewinner über
viele Verlierer triumphiert haben: Die meisten Darsteller der Tropen haben die dampfende Bühne längst verlassen
- als ausgestorbene Arten.
So gesehen ist unsere Gegenwart ein Abbild der Regenwälder; eine Gegenwart, in der Menschenrechte und Humanismus
wenig zählen und Selbstsucht, Kriege und rigider Wirtschaftsdarwinismus Mittel zum Erfolg sind.
Wir glauben, dass wir uns kraft unseres Bewusstseins von solchen Prinzipien der Evolution emanzipiert haben.
Doch in unserem Verhalten - Mensch gegen Mensch, Mensch gegen Natur - sind wir mindestens so aggressiv wie
Treiberameise und Lanzenotter. Dass im Rahmen dieser menschlichen Torheiten ausgerechnet der tropische
Regenwald, der vitalste aller Naturräume vernichtet wird, ist geradezu ironisch. Denn so beklagenswert der
Schwund alljährlich Tausender, oft nicht einmal dokumentierter Arten ist, so fatal ist der intellektuelle
Verlust, der damit einhergeht: Wir verlieren mit den Regenwäldern jenes Studienobjekt, das uns wie kein zweites
die Folgen von Lug und Trug, von Kampf und vernichtung vor Augen führt. Mit der Einsicht in die evolutionären
Mechanismen des Waldes lernen wir viel über uns selbst; denn entwicklungsgeschichtlich unterliegen wir den
gleichen Zwängen. Und erst solches Selbstverständnis befähigt uns, Auswege aus dem darwinistischen Dilemma, aus
dem Kreislauf von Zerstörung und Entwicklung auf Kosten anderer, zu erkennen.
Am liebsten würde ich die benannten gesellschaftlich-moralisch-ideologischen Anspielungen ausblenden, was aber
naiv wäre, weil bekanntlich alles miteinander zusammenhängt.
Ich beabsichtige mit dieser Seite für Interessierte einen Einblick in die Magie dieses grünen, hochkomplexen
Lebensraums zu vermitteln, mit all ihrer Faszination und Schutzwürdigkeit.
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