“Kulturlandschaften”

Sozioökonomisches Dilemma

Individuell rationales Verhalten, Interessen oder Gewohnheiten stehen leider (zu) oft mit Gemeinwohl-Interessen im Konflikt, was zu kollektiv ineffizienten oder irrationalen Ergebnissen führt. Eine geteilte Ressource wird also durch individuelle Übernutzung ruiniert. Stark unterstützend wirken wirtschaftsideologische Maximen, machtpolitische Interessen, wissenschaftliche Forschung, technische Erschließung, die einander bedingen und in der Arroganz der Machbarkeit gegenüber der außermenschlichen Natur münden.

Wirtschafts- und Sozialdarwinismus

Obwohl die längst als überholt angesehene Teilaspekte-Übertragung vom Darwinismus auf menschliche Gesellschaften und insbesondere ihre Wirtschaftsökonomie, sind die Parallelen kaum zu leugnen. Es offenbart, wie unser gegenwärtiges Handeln sich mit dem Abbild der Regenwälder vergleichen lässt; eine Gegenwart, in der Menschenrechte und Humanismus wenig zählen, stattdessen Selbstsucht, Kriege und rigider Wirtschaftsdarwinismus Mittel zum Erfolg sind. Wir glauben, dass wir uns kraft unseres Bewusstseins von solchen Prinzipien der Evolution emanzipiert haben. Doch in unserem Verhalten - Mensch gegen Mensch, Mensch gegen Natur - sind wir mindestens so aggressiv wie Treiberameise und Lanzenotter.

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Der Mythos von unberührter Natur oder Wildnis

… ist und bleibt ein Mythos, den ich hier nicht deuten oder interpretieren, sondern als Illusion entlarven will. Mir ist bewusst, dass gerade Regenwald-Liebhaber, wie ich, dazu geneigt sind, diesem Mythos zu verfallen. Mit meinen Publikationen befeuere ich ihn sogar oft. Ein Widerspruch, dessen Lösung ich nicht kenne bzw. kennen will (=kognitive Dissonanz).

Es handelt sich im Folgenden um meine tendenziell optimistisch gestimmte Sichtweise. In Anbetracht der Sachlage tendiere ich aber ebenso zu einer pessimistisch-fatalistischen Betrachtung des Sachverhalts bzw. kann mich nicht festlegen. Letztere will ich Ihnen hier ersparen.

Radikal formuliert, müsste man menschliche Gesellschaften als Zerstörer oder zumindest als Störenfriede einer natürlichen Welt ansehen. Dann ist es auch kein großer Sprung mehr, dazu überzugehen, einen Großteil der Menschheit abzuwerten - als eine kontaminierende, verunstaltende Masse anzusehen. Es geht also darum, unerwünschte Menschen auszugrenzen, um Bastionen der unberührten Welt zu erhalten, was die extreme Ausprägung einer dichotomen Sichtweise von Natur und Gesellschaft darstellt.

Diese Erkenntnis sollte dazu veranlassen, neu darüber nachzudenken, was “Natur” und “Wildnis” wirklich sind. Wenn wir mit “Natur” etwas meinen, das vom Menschen unberührt ist, dann gibt es fast nirgendwo auf der Erde solche Bedingungen, die seit Tausenden von Jahren bestehen. Das Gleiche gilt für das Klima der Erde. Ein klarer Blick für die Verflechtung der menschlichen und der natürlichen Welt ist unerlässlich, wenn wir uns den beispiellosen ökologischen Herausforderungen unserer Zeit stellen wollen. Eine naive Romantisierung einer unberührten Erde ist dabei nur hinderlich.

In Weltsichten vieler indigener Kulturen ist die Natur grundlegend und untrennbar mit der menschlichen Gesellschaft verbunden. Glücklicherweise gewinnt das in Naturschutzkreisen zunehmend an Bedeutung, wo sie die Einstellung darüber verändert, wie eine nachhaltige und widerstandsfähige Bewirtschaftung von Land und Ökosystemen in Zukunft möglich ist. Meiner Meinung nach verläuft dieser Prozess der Einsicht leider viel zu langsam, so dass weitere ökologische Krisen unausweichlich sind. Fakt ist, dass indigene Kulturen über Jahrtausende hinweg eine nachhaltige Umwelt aufrechterhalten haben.

Es existieren zahlreiche Hinweise, dass im amazonischen Gebiet seit Jahrtausenden Menschen lebten. Deren Spuren sind größtenteils schwer nachzuweisen, was in ihrer nachhaltigen Lebensweise begründet liegt. Manchmal sind die kunstvoll-kreativen Hinterlassenschaften auch recht offensichtlich, wie im Fall der Werehpai-Höhlen im Südwesten von Surinam.

Wir leben in einer einzigartigen Zeit der Geschichte, in der unser Bewusstsein für unsere Rolle bei der Veränderung des Planeten in dem Moment zunimmt, in dem wir ihn mit einer alarmierenden Geschwindigkeit verändern. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass der technologische Fortschritt gleichzeitig sowohl die Umweltveränderungen beschleunigt als auch unsere Fähigkeit, unseren Einfluss auf das Leben auf der Erde zu verstehen. Ein besseres Verständnis, wie unsere Umwelt mit unseren kulturellen Werten verknüpft ist, hilft uns letztlich dabei, bessere Entscheidungen zu treffen - und es legt die Verantwortung für die Zukunft des Planeten direkt auf unsere Schultern.

Regenwälder retten und erhalten

Ein kollektives Versagen!

Petroglyphen präkolumbischen Ursprungs in den Werehpai-Höhlen im Südwesten von Surinam ➔ 2°22'51.0"N 56°40'56.0"W

Manche der Höhlen sind nur durch ein derartiges Loch zugänglich.

Ein weiteres Kunstwerk am Höhlen-Eingang. Geheimnisvolle Spuren einer mehr als 5000 Jahre alten Zivilisation