Ameisenpflanzen
Symbiosen zwischen Pflanzen und Ameisen
Blattschneider-
ameisen
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Einblicke in deren vielfältige Kooperationsfähigkeiten und Symbiosen
Während die ökologische Bedeutung der Termiten und Regenwürmer im wesentlichen im Abbau von Holz und
Streu und dem sich daraus ergebenden Einfluss auf den Stoff- und Energiehaushalt liegt, ist das
ökologische Wirkungsspektrum der Ameisen im Ökosystem tropischer Regenwälder breiter gefächert, was
angesichts von 500 und mehr Ameisenarten, die sich hier auf wenigen Hektar finden lassen, nicht
verwundern kann. Aber nicht nur die lokal auftretenden Artenzahlen sind in Tiefland-Regenwäldern
beeindruckend, sondern auch der Anteil an den Individuenzahlen, die Ameisen unter der gesamten
Boden-Makrofauna stellen. Sie erreichen bereits 27% in kleinen (0,035m2)
extrahierten Stichproben in Brasilien und rund 49 - 70% in per Hand oder Exhaustor (Apparatur zum
Aufsaugen) ausgelesenen bzw. extrahierten Quadratproben von 0,25 bis 1m2
Größe gibt auch den Anteil der Ameisen an der gesamten Bodenmeso- und Bodenmakrofauna an, also
inklusive der Springschwänze und Milben. Er betrug 25%. Die häufig geäußerte Vermutung, dass Ameisen
und Termiten sicher 75% der Biomasse der Bodenfauna stellen, ist allerdings bis heute nicht durch
konkrete Zahlen untermauert worden. Konkrete Daten zur Biomasse der Bodenameisen sind rar. Bei allen
Angaben ist zu bedenken, dass die bislang benutzten gängigen Methoden zur Erfassung der Bodenfauna
für Ameisen (wie für Termiten) weitgehend inadäquat sind, da der Großteil der Population sich in
mehr oder weniger tief im Boden befindlichen Nestern oder in harten Oberflächennestern befindet und
durch diese Methoden gar nicht erfasst wird. Ameisen stellen auch meist den Großteil der
Individuenzahl und Biomasse bei Faunenerhebungen in den Kronen tropischer Regenwälder mittels
Insektizid-Benebelung. Er liegt nach den bisherigen Untersuchungen meist bei über 40% (3-94 %) der
Gesamtindividuenzahlen (einschließlich Milben und Collembolen) und bei rund 1/3 (16-57 %) der
Biomasse. Aber auch bei dieser Methode stellt sich die Frage, welcher Prozentsatz der Ameisen- und
Termitenkolonien, die sich häufig im Innern von Totholz oder in kompakten Nestkonstruktionen
befinden, überhaupt erfasst wurde.
Viele Ameisenarten haben ein breites Nahrungsspektrum, das lebende und tote Tiere, aber auch
pflanzliche Stoffe (meist Pflanzensäfte) umfasst. Auf der anderen Seite gibt es unter den Ameisen
zahlreiche ausgesprochene Nahrungsspezialisten, und zwar in einem doppelten Sinn: 1. Arten, die fast
ausschließlich eine bestimmte Nahrung zu sich nehmen und 2. Arten, zu deren Nahrungsspektrum eine
sehr spezielle, von den meisten Ameisen nicht genutzte Ressource gehört. Generell umfasst das von
Ameisen im Regenwäldern genutzte Nahrungsspektrum folgende Bandbreite: lebende Wirbellose (meist
Arthropoden), in seltenen Fällen auch kleine Wirbeltiere, Aas (tote Arthropoden und andere
Wirbellose, aber auch Wirbeltierkadaver), Samen oder deren fleischige Anhänge (= Elaiosomen),
Fruchtteile, Pollen, Nährkörperchen spezieller Pflanzen, auf denen sie wohnen (Myrmecophyten),
zuckerhaltige Säfte aus (meist extrafloralen) Nektarien und anderen Pflanzenteilen (Blätter,
Sprosse, Rinde), süßen Kot (’’Honigtau”) von Pflanzensaugern (Homoptera: Coccidae, Membracidae,
Aphidae u. a.), Pilze sowie Blätter und Blüten, die die bei den Bauern berüchtigten
Blattschneiderameisen allerdings nicht direkt verwerten können, sondern durch Pilze abbauen lassen.
Zur Gruppe der Blattschneider gehören außerdem Arten, die tatsächlich als Saprophagen (Organismen,
die sich von abgestorbenem organischem Material ernähren) agieren, indem sie organische Bestandteile
der Streu zur Pilzzucht nutzen.
Die bekanntesten unter den Beutegreifern sind die Treiber- oder Wanderameisen. Arten mit derart
„nomadischer“, ohne dauerhaftes Nest auskommender Lebensweise haben sich in den Tropen Asiens,
Afrikas und Südamerikas in unterschiedlichen Ameisengruppen entwickelt. Viele dieser
Wanderameisenarten überfallen in langen Kolonnen hauptsächlich die Nester anderer Ameisen oder die
von Wespen, sei es im Boden oder hoch in den Bäumen. Andere Arten, z.B. in Afrika solche aus der
Gattung Dorylus oder in Südamerika Eciton burchelli und Labidus praedator, durchkämmen auf ihren
Beutezügen den Waldboden in breiten Kolonnen und tragen alles, was sie überwältigen und zerstückeln
können, zu ihren temporären Nistplätzen. Das Beutespektrum solcher „Schwarmjäger“ ist beträchtlich,
und sie können offensichtlich lokal einen beträchtlichen Einfluss auf die Populationsgröße und
Artenstruktur von bodenbewohnenden Tiergruppen wie Ameisen, Schaben, Spinnen und Heuschrecken
ausüben. Unter den räuberisch lebenden Ameisen gibt es in den Regenwäldern der Erde ausgesprochene
Spezialisten, hauptsächlich in den Unterfamilien Ponerinae und Myrmicinae, die sich, soweit aus
bisherigen Beobachtungen geschlossen werden kann, ausschließlich oder überwiegend von einer
Beutetiergruppe ernähren. So tragen Discothyrea- und Proceratium-Arten Arthropodeneier ein;
Thaumatomyrmex-Arten fangen stark beborstete Tausendfüßer (Polyxeniden), die sie mit ihren
mehrspitzigen Mandibeln vor dem Verzehr entborsten, und manche Leptogenys-Arten sind mit ihren
säbelförmigen Mandiblen (Mundwerkzeuge) auf Asseln in Streu und Totholz spezialisiert, wie dies auch
von morphologisch ähnlichen Arten aus anderen Ökosystemen bekannt ist. Einige große Ponerinen
(Urameisen), so Pachycondyla commutata in Amazonien, überfallen in größeren Gruppen Termitennester
der Gattung Syntermes und tragen die erbeuteten Bewohner im Gänsemarsch zu ihrem Nest. Die weltweit
in tropischen Regenwäldern in der Streu oder im Epiphytenhumus lebenden, nur wenige Millimeter
großen Dacetinen haben sich dagegen auf kleine saprophage Streubewohner wie Collembolen und Dipluren
als Beute spezialisiert. Einige Arten erdolchen ihre Beute mit langen, dornenbesetzten
Schnappkiefern, andere schleichen sich langsam an ihre Beute heran, ergreifen sie mit ihren kurzen
Mandibeln und lähmen sie mit einem Stich ihres Stachels. Samenfresser (Ernteameisen) spielen in den
Regenwäldern im Gegensatz zu offenen Graslandschaften nur eine geringe Rolle; allerdings
transportieren auch manche Regenwald-Ameisen ähnlich wie es aus anderen tropischen Wäldern, Savannen
oder Halbwüsten bekannt ist, Samen zu ihren Nestern, die für sie aufgrund von anhaftenden
Substanzen, Resten des Fruchtfleisches oder speziellen fleischigen, nährstoffreichen Anhängseln
(Elaiosomen) attraktiv sind. Solche Arten können je nach Verhalten zur Samenverbreitung beitragen
oder den Anteil keimfähiger Samen drastisch verringern, wie dies in aufgegebenen Agrarflächen in
Amazonien nachgewiesen wurde. Auch die berühmten „Ameisengärten“ der amazonischen Regenwälder
entstehen auf diese Weise, da bestimmte Ameisen für sie attraktive Samen in ihre Kartonnester
eintragen, wo sie später keimen und bestens mit Nährstoffen aus dem Ameisennest versorgt sind. Nach
Absterben der Kolonie oder Aufgabe der Nester stellen diese und andere arboricole Nester eine
wichtige Nährstoffressource für saprophage Organismen im Kronenraum und, nach dem Herunterfallen,
auch am Boden dar. Eine häufige Lebensweise unter Ameisen ist das Sammeln von „Honigtau“, den
zuckerhaltigen Ausscheidungen pflanzensaugender Homopteren; dies ist aber eher eine Art von
Herbivorie und hat mit dem Destruentensystem i. d. R. wenig zu tun. Allerdings reichern
bodennistende Ameisen wie z.B. Ectatomma tuberculatum auf diese Weise Nährstoffe im Boden an (s.u.).
Eine weitere Ausnahme bilden kleine Schuppenameisen (Formicidae) der Gattung Acropyga, die sich von
den Ausscheidungen von an Wurzeln lebenden Schildläusen ernähren. Deren Saugtätigkeit beeinflusst
das Wurzelwachstum der betroffenen Pflanzen.
Ameisennester sind wie Termitenbauten ein wichtiger Faktor in der Nährstoffdynamik des Bodens, nicht
nur weil sie mit Nährstoffen angereichert sind, sondern auch weil der Boden im Nest und in seiner
Umgebung von den Tieren ständig bewegt und durchlüftet wird. Viele Pflanzen ziehen mit den Wurzeln
Nährstoffe aus der unmittelbaren Umgebung solcher Nester. In dieser Hinsicht kommt den
Blattschneiderameisen in den Neotropen eine besondere Bedeutung zu, insbesondere den rund 40 Arten
der Gattungen Atta und Acromyrmex. Ausgewachsene Nester von Atta nehmen Flächen von über 100, ja
manchmal bis zu 600 m2 ein, deren nach Millionen zählende Bewohner Hunderte von Kammern bis zu drei,
vier oder mehr Meter in die Tiefe graben. In den oberen Nestkammern züchten Blattschneider einen
Pilz, zu dessen Versorgung große Mengen an frischen Blattstücken von vielen verschiedenen Pflanzen
abgeschnitten und eingetragen werden. Die Blattstücke werden zerkaut und als Pellets in den
Pilzgarten eingebettet. Nur der Pilz besitzt die zum Celluloseabbau nötigen Enzyme, ja er versorgt
die Ameisen sogar mit proteinabbauenden Enzymen, die sie selbst nicht besitzen. Die Ameisen ernähren
ihre Brut ausschließlich mit diesem Pilz, während die Arbeiterinnen den größeren Teil ihres
Energiebedarfs über die Pflanzensäfte decken, die sie beim Schneiden und Zerkauen der Blätter
aufnehmen. Die nicht nutzbaren Reste der Pilzgärten werden von den Ameisen in Abfallkammern tief im
Boden verstaut oder an die Bodenoberfläche transportiert. Wenn auch die Blattschneiderameisen in
Kulturen enorme Schäden anrichten können, so sind sie in den Regenwäldern ein außerordentlich
wichtiges Glied der Nährstoffkreisläufe. Sie bringen lebende, d.h. noch relativ nährstoffreiche
Blattsubstanz direkt in den Boden ein und veranlassen die Pflanzen, neue Blätter auszutreiben;
allein für die Gattung Atta wurde eine Konsumtion von 12-17% der Blattproduktion neotropischer
Wälder errechnet. Demgegenüber konsumieren in gemäßigten Wäldern alle Herbivoren zusammen meist nur
5-10% der Primärpoduktion. Durch die Abfallhaufen von Atta-Nestern fließen 16-98 mal größere
Nährstoffmengen als durch die Streuauflage darüber. Dass die Pflanzen davon profitieren, zeigt sich
an der Feinwurzeldichte, die in den Nestern viermal höher ist als im umgebenden Boden. Wenn die
Blattschneiderameisen im weiteren Sinne (Tribus Attini) auch in erster Linie als Quasi-Herbivore
auffallen, greifen sie doch auch in das Abbaugeschehen der Bodenstreu direkt ein. So sammeln Atta-
und Acromyrmex-Arten auch frisch gefallene Blütenblätter auf, und kleinwüchsige Arten anderer
Gattungen wie Apterostigma, Cyphomyrmex, Mycocepurus u.a. tragen Arthropodenkot, Stücke der
Chitinpanzer toter Insekten und andere Teile der Streuschicht ein, um darauf in ihren Nestern
ähnlich wie Atta oder Acromyrmex Pilze zu züchten.
Als letzter wichtiger Aspekt der Bedeutung von Ameisen für die Ökologie des Bodenkompartiments im
tropischen Regenwald seien die vertikalen Wanderungen genannt. Solche Arten (z.B. Ectatomma
tuberculatum, Paraponera clavata) tragen durch ihre Futtersuche in den oberirdischen Straten
(Schichten) des Lebensraumes ebenfalls zu einer Konzentration von Nährstoffen im Boden bei.
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