Ameisen (Formicidae)
… sind in fast allen Klimazonen unseres Planeten anzutreffen. Bisher wurden mehr als 14.000 von insgesamt 20.000–30.000 vermuteten Arten beschrieben. In Europa kommen etwa 600 Arten vor. Der größte Artenreichtum findet sich in den Tropen. Ameisenarten sind in Staaten organisiert, bestehend aus Individuen verschiedener Kasten (Arbeiterinnen, Soldatinnen), fast ausnahmslos Weibchen mit nur einem oder wenigen fruchtbaren Weibchen (Königinnen) und geflügelten Männchen. Ameisenstaaten und deren Organisationsstrukturen zeigen und beweisen eindrücklich, wie Eusozialität und zugleich nachhaltige, positive Umweltbeeinflussung funktionieren.

Ameisen
Die wahren Herrscher unterm Blätterdach

Blattschneider-
ameisen
⤷ Home / Alle Themen /
Ameisenpflanzen oder Myrmekophyten
Ameisen und meist tropische Pflanzenarten stehen untereinander in zahlreichen, oft symbiotischen
Wechselbeziehungen. Die (Ameisen-)Pflanze bietet dabei Wohnraum (Domatien) und teilweise auch
Nahrung. Die Ameisen bieten im Gegenzug entweder Schutz vor Fraßfeinden oder gegen Bewuchs durch
Epiphyten (Myrmekophylaxis) oder sie bieten selbst Nahrung (Myrmekotrophie). Die zugehörigen
morphologischen und biochemischen Anpassungen treten in den unterschiedlichsten Pflanzengruppen auf,
die nicht in näheren verwandtschaftlichen Beziehungen stehen, also nach gängiger
evolutionstheoretischer Vorstellung sehr oft unabhängig voneinander entstanden sind. Die
betreffenden Merkmale werden daher als evolutionäre Konvergenzen interpretiert.
Myrmekotrophie – Ernährung durch Ameisen
Hierbei bietet die Pflanze den Ameisen Nistraum und die Ameisen stellen der Pflanze Nährstoffe zur
Verfügung. Diese Art der Partnerschaft kommt besonders häufig bei epiphytisch lebenden
Regenwald-Pflanzen vor, da es für diese Pflanzen besonders schwierig ist, ausreichend Nährstoffe
aufzunehmen.
Einige Ameisenpflanzen (Myrmekophyten), die eine solche Partnerschaft mit Ameisen eingehen, besitzen
ähnlich, wie die Myrmekophyten einer Myrmekophylaxis Myrmekodomatien (Hohlräume), in denen die
Ameisen geeignete Nistplätze finden. Diese Pflanzen werden meist von kleinen, wenig aggressiven
Ameisen besiedelt, die einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Pflanze leisten. Denn in den
Domatien, die von den Ameisen besiedelt werden, fallen organische Abfälle, wie z. B. Tierleichen,
pflanzliche Fraßabfälle und Exkremente an oder werden sogar in gesonderten Kammern gelagert. Die
Pflanze wiederum ist in der Lage, die aus den organischen Abfällen infolge weiterer mikrobieller
Zersetzung entstehenden Nährstoffe aufzunehmen. Die Form der Nährstoffaufnahme aus den organischen
Substanzen ist dabei von der jeweiligen Pflanzenart abhängig. Einige Pflanzenarten wie z. B.
Dischidia rafflesiana nehmen Nährstoffe mit Hilfe von Wurzeln auf, die in die von den Ameisen
besiedelten Hohlräume hinein wachsen. Eine andere Art und Weise der Nährstoffaufnahme zeigen
Epiphyten der Gattung Hydnophytum und Myrmecodia, denn sie sind in der Lage, die Nährstoffe durch
die porösen Wände der Hohlräume aufzunehmen.
Neben der Versorgung der Pflanze mit Nährstoffen ziehen diese Myrmekophyten noch einen weiteren
Vorteil aus der Partnerschaft mit den Ameisen. Denn diese stellen nicht nur die Nährstoffe für die
Pflanze in Form organischen Materials bereit, sondern tragen auch zur Ausbreitung der Pflanze bei,
indem sie deren Samen mit sich tragen (Myrmekochorie). Da es sich bei den Ameisen um baumbewohnende
Arten handelt, werden die Samen der Epiphyten häufig direkt an geeigneten Standorten fallen
gelassen. Auch die Ameisen haben entscheidende Vorteile aus einer solchen Beziehung, denn sie
bekommen in den Myrmekodomatien der Pflanzen geeignete Wohn- und Nisträume zur Verfügung gestellt.
Zudem besitzen einige Pflanzen extraflorale Nektarien, durch die sie zur Nahrungsversorgung der
Ameisen beitragen.
Beide Partner einer Myrmekotrophie ziehen also erhebliche Vorteile aus dieser Verbindung. In vielen
Fällen ist diese Partnerschaft jedoch nicht erforderlich (fakultativ), da beide Partner auch allein
überlebensfähig wären. Durch die zusätzliche Nährstoffquelle hat eine besiedelte Pflanze häufig
einen entscheidenden Konkurrenzvorteil gegenüber konkurrierenden Pflanzen, die am gleichen Standort
wachsen.
Ameisengärten
Bei Ameisengärten handelt es sich um charakteristische Ansammlungen von Epiphyten, die auf
Ameisennestern wachsen oder deren Wurzelbereich von Ameisen besiedelt werden. Im Gegensatz zu
Epiphyten, die Myrmekodomatien als Nistraum für Ameisen zur Verfügung stellen, kommen in
Ameisengärten meist nur Pflanzen vor, die keine Myrmekodomatien ausbilden. Ameisengärten entstehen
wie z. B. bei Codonanthe uleana dadurch, dass die Pflanzen Haftwurzeln ausbilden, mit denen sie sich
an den Stämmen von Bäumen anheften. An diese Haftwurzeln lagern Ameisen (bei Codonanthe uleana
Ameisen der Gattung Azteca und Camponotus) Erdmaterial an. In diesem Erdmaterial können die Pflanzen
wurzeln und halten es dadurch zusammen. Auf diese Weise entstehen schließlich umfangreiche Gebilde,
die aus durchwurzeltem Erdmaterial und häufig auch Pilzen bestehen. Diese dienen den Ameisen als
stabile Nester und ermöglichen es den Pflanzen, epiphytisch auf Bäumen zu leben. Ohne Mithilfe der
Ameisen wäre z. B. Codonanthe uleana zwar in der Lage auf dem Boden, nicht aber epiphytisch zu
siedeln.
Ameisengärten können jedoch noch auf eine andere Art entstehen. Einige Ameisenarten bauen sogenannte
Kartonnester auf Bäumen. Diese Nester bestehen aus unterschiedlichsten Materialien, wie feinem
Holzmehl oder zersetzten und lebenden Pflanzenfasern. Während des Nestbaus tragen die Ameisen auch
Samen von epiphytisch lebenden Pflanzen wie z. B. Pflanzen der Gattung Hoya in ihr Nest. Der Samen
findet hier Nährstoffe und keimt aus dem Nest heraus. Durch die Wurzeln der Pflanze wird das
Ameisennest stabilisiert und am Wirtsbaum gehalten.
In Ameisengärten treten als Partner der Pflanzen häufig verschiedene Ameisenarten auf. So leben
beispielsweise Ameisen der Gattung Camponotus und Crematogaster beide mit Hoya elliptica in
Symbiose. In einigen Fällen besiedeln sogar mehrere Ameisenarten gleichzeitig einen
Ameisengarten.
Von einigen Pflanzen, die in Ameisengärten vorkommen, wie z. B. Pflanzen der Gattung Codonanthe, ist
zudem bekannt, dass sie ihren Symbiosepartnern auch Nahrung in Form extrafloraler Nektarien und
Samen mit Elaiosomen zur Verfügung stellen.
Elaiosomen sind nährstoffreiche, ölhaltige Anhängsel an pflanzlichen Samen, die in ihrer
Zusammensetzung speziell auf Ameisen und ihre Nahrungsbedürfnisse angepasst sind. Sie dienen daher
als Lockmittel und Belohnung, um die Ameisen zur Verschleppung und somit zur Ausbreitung der Samen
zu bewegen. Sobald die Samen von den Arbeiterinnen gefunden werden, wird der komplette Samen mit
Elaiosom zum Nest transportiert, obwohl der Samen selbst für die Ameisen nicht als Nahrung geeignet
ist. Im Nest des Ameisenvolkes, oder schon auf dem Weg dorthin, wird das Elaiosom von den
Arbeiterinnen abgefressen. Der nun elaiosomfreie Samen wird entweder auf dem Weg zum Nest liegen
gelassen oder im Nest in der Abfallkammer entsorgt. Durch die Ausbreitung der Samen durch Ameisen
(Myrmekochorie) gelangt der Samen epiphytischer Pflanzen also direkt an geeignete Standorte, wie
etwa dem Nest der Ameisen, wo er dann genügend Nährstoffe vorfindet, um zu keimen.
Von einigen Ameisenarten, die aggressives Verhalten zeigen, wie z. B. Ameisen der Gattung
Camponotus, ist auch bekannt, dass sie ihre Ameisengärten verteidigen.
Zwischen Ameisen und Epiphyten, die zusammen in Ameisengärten leben, besteht also eine enge
Symbiose, die für beide Partner einige Vorteile bietet. Den Pflanzen ermöglicht diese Partnerschaft,
epiphytisch auf Bäumen zu leben. Ihre Samen werden durch Myrmekochorie an geeigneten Standorten
ausgebreitet und sie erhalten teilweise sogar Schutz durch die Arbeiterinnen. Die Ameisen hingegen
erhalten Nahrung und einen sicheren Nistplatz.
Diese Interaktionen sind mehrfach unabhängig voneinander in verschiedenen Pflanzengruppen entstanden
und manchmal freiwillig (v. a. bei der Myrmekophylaxis), teilweise aber auch obligat, sodass beide
Partner zwingend aufeinander angewiesen sind.
Myrmekophylaxis – Schutz durch Ameisen
Der Schutz vor allem junger und verletzlicher Pflanzenteile ist für alle Pflanzen von entscheidender
Bedeutung. Um sich vor Fraßfeinden zu schützen, haben Pflanzen deshalb im Laufe der Evolution
unterschiedlichste Abwehrmechanismen, wie chemische Abwehrstoffe, sowie Stacheln und Dornen
entwickelt.
In den Tropen und Subtropen hat sich bei einigen Pflanzengattungen eine weitere sehr wirkungsvolle
Abwehrstrategie entwickelt: Schutz durch Ameisen. Diese Form der Beziehung zwischen Ameisen und
Pflanzen wird als Myrmekophylaxis bezeichnet. Dabei stellt die Pflanze den Ameisen Wohnraum und
Nahrung zur Verfügung und wird als Gegenleistung von den Ameisen vor Fraßfeinden und konkurrierenden
Pflanzen geschützt. Die Form der Gemeinschaft zwischen Ameisenpflanzen und Ameisen ist bei den
verschiedenen Myrmekophyten sehr unterschiedlich. Denn während einige Ameisenpflanzen nur
gelegentlich von Ameisen besucht werden, sind andere Gattungen ständig von Ameisen besiedelt. Bei
den Letzteren handelt es sich um hochspezialisierte Symbiosen, bei denen der eine Partner ohne den
anderen nicht mehr überlebensfähig wäre. Auch die Form des "Wohnraums" und der Nahrungsversorgung
der Ameisen durch die Pflanze ist bei den verschiedenen Taxa jeweils unterschiedlich. Den Wohnraum
stellen die Ameisenpflanzen den Ameisen in Form von Hohlräumen zur Verfügung, die als
Myrmekodomatien bezeichnet werden. Myrmekodomatien befinden sich bei den unterschiedlichen Gattungen
in den verschiedenen Organen (Spross, Blatt oder Wurzel) der Pflanze.
Die Form der Nahrung, die von der Pflanze produziert wird, um die Ameisen anzulocken oder dauerhaft
an sich zu binden, ist ebenfalls bei den verschiedenen Gattungen sehr unterschiedlich. Viele
Myrmekophyten besitzen extraflorale Nektarien, die sich meist an den Laubblättern, bei einigen Arten
jedoch auch am Spross, den Knospen sowie der Außenseite der Kelchblätter befinden. Extraflorale
Nektarien sind Nektardrüsen, die sich im Gegensatz zu den floralen Nektarien außerhalb der Blüte
befinden. Durch die extrafloralen Nektarien scheiden die Pflanzen Nektar aus, der aus einer
wässrigen Zuckerlösung besteht. Bei vielen Ameisenpflanzen enthält der Nektar neben Zucker (Mono-
und Disaccharide) auch Aminosäuren, Proteine und weitere chemische Substanzen. Für zahlreiche
Ameisenarten, die Ameisenpflanzen aufsuchen oder dauerhaft auf diesen leben, stellen die
extrafloralen Nektarien eine wichtige Nahrungsgrundlage dar. Viele Ameisenarten, die den
extrafloralen Nektar der Myrmekophyten als Nahrung nutzen, zeigen stark aggressives Verhalten
gegenüber Pflanzenfressern und anderen Insekten, die sich vom Nektar der Ameisenpflanzen ernähren
und verjagen diese. So schützen die Ameisen die Myrmekophyten vor Fraßschäden.
Bei hochspezialisierten Symbiosen zwischen Ameisen und Myrmekophyten verlassen die Ameisen die
Pflanze das ganze Jahr über nicht und bewachen diese ständig vor Fraßfeinden. Einige Ameisenarten,
die dauerhaft Ameisenpflanzen besiedeln, schützen diese sogar vor konkurrierenden Pflanzen, die in
der Nähe ihrer Pflanze wachsen, indem sie diese so lange mit ihren Mundwerkzeugen bearbeiten, bis
sie schließlich absterben. Zudem entfernen die Ameisen auch epiphytischen Bewuchs und
Kletterpflanzen, die an oder auf der Ameisenpflanze wachsen.
In besonders hochentwickelten Symbiosen stellen die Pflanzen den Ameisen jedoch nicht nur Nahrung
durch extraflorale Nektarien zur Verfügung, sondern auch in Form von Fraß- oder Futterkörperchen.
Diese Fraßkörperchen sind sehr eiweiß- und fettreiche kleine Gebilde, die von den Ameisen
abgesammelt und meist an die Larven verfüttert werden. Bei vielen Arten entstehen die Fraßkörperchen
auf den Blattorganen.
Einige Ameisenarten, die Pflanzen besiedeln, erhalten noch durch eine weitere Form Nahrung von der
Pflanze. Sie leben in "Symbiose" mit Blatt-, Wurzel- oder Schildläusen, die sie auf der von ihr
bewohnten Pflanze halten, d. h. bewachen und "melken". Denn diese dringen mit ihren Mundwerkzeugen
bis in das Phloem der Pflanze ein und ernähren sich von dessen kohlenhydratreichem Saft. Da sie
jedoch um ihren Eiweißbedarf zu decken, vor allem auf die Aminosäuren der Phloemflüssigkeit
angewiesen sind, nehmen sie sehr viel mehr Zucker auf, als sie benötigen und scheiden diesen in Form
einer zuckerhaltigen Lösung (Honigtau) über den After wieder aus. Für die Ameisen dient der Honigtau
schließlich als Nahrung. Als Gegenleistung werden die Blatt- oder Schildläuse von den Ameisen
gepflegt und vor Feinden beschützt.
Die Myrmekophylaxis ist fakultativ; Pflanzen ohne Ameisenpartner überleben ebenfalls, müssen dafür
jedoch Fraßgifte herstellen oder erleiden mehr Fraßschäden.
Weitere und verwandte Themen
